Der
indische Strassenverkehr ist genauso vielfältig wie das Land und
auch recht schwer in europäische Denkweisen zu übertragen -
hier ein Versuch, dieses funktionierende Chaos zu schildern. Ich habe
dieses Thema vor allem deshalb gewählt, weil man überall damit konfrontiert
wird, sobald das Haus verlassen wird !
Grundvoraussetzung
Es gibt eigentlich nur eine Voraussetzung, die man erfüllen muss,
um am indischen Strassenverkehr teilnehmen zu können: Falls man
Besitzer eines motorisierten Vehikels ist, muss eine funktionierende
Hupe vorhanden
sein und es sollte auch die Fertigkeit bestehen, diese fachgerecht
einzusetzen. Alle anderen Verkehrsteilnehmer sollten im eigenen Interess
eine Hupe hören können. Laut Statistik wird in Indien
20 mal pro Kilometer gehupt...in der Nacht wird die Hupe dann vom dauerhaft
eingeschalteten
Aufblendlicht unterstützt !

Strassenszene
Die Teilnehmer
Fangen wir in der Hierachie ganz unten an:
Tiere (ausser einigen heiligen
Tierchen, wie z.B Kühe) sollten sich vor allen anderen Verkehrteilnehmern
in Acht nehmen (zum Glück blieb mir bisher eine Hollywood-reife
Blutszene erspart, in der ein Buss in ein Rudel Hunde rast ;-)). Die
Kühe
nutzen ihre Privelegien dagegen vollkomen aus und sind an jeder Stelle
zu
finden,
wo der ohnehin
lahmende
Verkehr
garantiert noch mehr behindert wird.
Menschen müssen schnell reagieren und dürfen keine
Angst vor der heranrasenden, wild hupenden Fahrzeugmasse zeigen, sondern
sich geschickt
dazwischen hindurchschlängeln. Es gibt viele angetäuschte Attacken,
die aber immer im letzten Moment abgeblasen werden - jedoch vergessen
manche
Fahrer die etwas maroden Verzögerungseinrichtungen ihrer Gefährte
- also lieber springen. Energische Handzeichen beim überqueren der
Strasse führen
auch manchmal zu Erfolg ;-)...
Motorlose Fahrzeuge platzieren sich
meist abhängig
von ihrer Geschwindigkeit in der Hierarchie. Es gibt Fahrradrikaws, auf
denen entweder mehrere Personen oder/und eine unglaubliche Menge an diversen
Gegenständen
transportiert wird. Die nicht sehr kräftig wirkenden Fahrer müssen
dabei alles geben und man hat immer ein schlechtes Gewissen, ihre Dienste
in
Anspruch
zu
nehmen.
Auf
der anderen Seite verdienen
sie aber damit ihren Lebensunterhalt.
Viele Transportdienste werden auch
von Pferdewagen, Ochsenwagen bzw. von Kamelen gezogenen Wagen (in Rajastan)
erfüllt - die Zugtiere sind scheinbar taub, da sie vollkommen unbeindruckt
von Hupzeichen und lauten Bussen ihren Weg gehen...man stelle sich ein
deutsches Pferd unter diesen Bedingungen vor ;-) ! Auch Elefanten nehmen
als Transporttiere am Strassenverkehr teil.

Reifentransport - die Reifen werden garantiert noch einmal verwendet...
Nun kommen die Motorräder und Roller an die Reihe - ausser bei schlechtem
Wetter und unter Vernachlässigung des Unfallrisikos sind sie scheinbar
die idealen Gefährte, um in einigermassen kalkulierbarer Zeit das
Ziel zu erreichen. Es gibt sogar eine Helmpflicht, welche auch eingehalten
wird
- die Helme werden immer am Arm getragen und dann kurz beim passieren
eines
Polizeipostens
aufgesetzt....
Die hierarische Stellung der PKWs und auch mancher Motorikschas (Dreirad
zum Personen- und Lastentransport) ist sehr von der Agressivität der
Fahrer abhängig.
Die Lastkraftwagen blockieren oft völlig überladen die Strasse und
Unfälle sind durch den desolaten technischen Zustand und die Übermüdung
der Fahrer
recht häufig. Im allgemeine sind ihre Fahrer aber recht hilfbereit
und machen nach einem Hupsignal schnell Platz, sofern welcher vorhanden
ist.
Übrigens ist hinten auf fast jedem Fahrzeug die Aufschrift "Horn
please" zu lesen...
Busse - das sind die "Könige" der Strasse mit den logischerweise
lautesten Hupen - ihre Chauffeure pflegen einen absolut kranken
Fahrstil
und
es ist ein Wunder,
das die
Passagiere
das
ein- und aussteigen überleben. Dazu wird natürlich nicht vollständig
angehalten...

Umweltfreundliche Elefantenabgase
Fahrzeug- und Strassenzustand
Der Zustand der Fahrzeuge wechselt von einem Extrem zum anderen - einige werden
offensichtlich sehr gepflegt und haben sogar profilierte Reifen, aber bei manchen
Metallhaufen ist es ein Wunder, dass sie überhaupt noch aus eigener Kraft
fahren.
Es gibt inzwischen eine grosse Zahl an moderen Kleinwagen - meist Lizenzbauten
japanischer
Modelle
- und auch die Motorräder sind ziemlich modern (meist 125er bis 150er). Die
klassichen indischen Fahrzeuge (überwiegend Lizenzbauten von britischen
Modellen aus den 50er Jahren) wie z.B Ambassador und Enfield machen noch einen
Grossteil
der Fahrzeuge aus.

Gemässigter Verkehr in Jaipur
Die Strassen sind recht holprig, aber durch kunstvolle Flickarbeit
ziemlich problemlos befahrbar. Es ist aber wichtig, nach so genannten
"Speedbreakern"
Ausschau zu halten - sie sind schlecht markiert und ein zu schnelles überfahren
kann den Verlust mindestens einer Achse bedeuten. Jdeoch ein viel grösseres
Problem ist die Nutzung der Strassen als Geschäfts-, Lager- und Lebensraum...

Verkehrinsel und Diskussionsplattform
Funktionierende Ampeln sind in den Städten
vorhanden und tagsüber wird
bei Rotlicht angehalten. In Delhi werden Radarkontrollen durchgeführt
und einen Starenkasten habe ich entdeckt :-) ! Die Einteilung der Strasse
in Fahrspuren geschieht dynamisch - je nach Verkehrsdichte und Mut der
Fahrer. In Indien herrscht ausserdem laut Gesetz Linksverkehr - dieses
findet aber
nur
sporadisch Anwendung...
Hier schliesse ich meinen Bericht erst einmal, da man
jeden Tag ein Buch mit den Vorkommnissen auf indischen Strassen füllen
könnte. Bei dem, mit viel Humor doch recht gut erträglichen
Chaos sollte man aber nicht vergessen, dass es täglich sehr viele
(Menschen)leben fordert...
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